TL;DR: Die EU-Taxonomie schafft ein einheitliches System, um ökologisch nachhaltige Tätigkeiten zu definieren und Kapital gezielt in nachhaltige Investitionen zu lenken. Für die Immobilienbranche konkretisiert sie, welche Tätigkeiten als „grün“ gelten, indem Kriterien wie wesentlicher Umweltbeitrag, Vermeidung von Schäden an anderen Umweltzielen, Einhaltung sozialer Standards und technische Schwellenwerte geprüft werden. Taxonomiekonformität ist besonders relevant für berichtspflichtige Unternehmen (CSRD), aber auch für kleinere Unternehmen, die freiwillig nach dem vereinfachten VSME-Standard berichten. So entsteht ein einheitlicher Referenzrahmen, der Nachhaltigkeitsleistungen transparent macht und langfristige Wettbewerbsvorteile sichert.
Was ist die EU-Taxonomie?
Mit der Einführung der EU-Taxonomieverordnung im Jahr 2020 wurde ein einheitliches Klassifikationssystem geschaffen, das festlegt, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten in der EU als ökologisch nachhaltig gelten. Im ersten Schritt wird bestimmt, welche Wirtschaftstätigkeiten grundsätzlich taxonomiefähig sind. Im zweiten Schritt werden diese Tätigkeiten anhand definierter Kriterien in „grün“ („taxonomiekonform“) und „braun“ („nicht taxonomiekonform“) eingeteilt. Dies bildet die Grundlage, um Kapitalströme verstärkt in Richtung „grüner“ Aktivitäten zu lenken und die Klima- und Energieziele des EU Green Deal zu verwirklichen. Die EU-Taxonomie stellt dabei keine rechtliche Verpflichtung dar, Wirtschaftstätigkeiten (z. B. Neubauten) taxonomiekonform zu gestalten, sondern bietet vielmehr eine gemeinsame Grundlage zur Vergleichbarkeit der ökologischen Nachhaltigkeit wirtschaftlicher Aktivitäten. Diese Vergleichbarkeit bildet wiederum die Basis für Offenlegungsverpflichtungen gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR).[1]
Ziel dieses Blog-Beitrags ist es einen gut verständlichen Hintergrund zur EU-Taxonomie zu geben und die Implikationen für Immobilienentwickler und -Investoren herauszuarbeiten, die ihre Immobilien EU-Taxonomie-konform bauen wollen. In einem zukünftigen Beitrag werden wir die Vor- & Nachteile von EU-Taxonomie-Konformität für Investoren beleuchten.
Für wen in der Immobilienbranche ist die EU-Taxonomie relevant?
Die EU-Taxonomie ist für alle Marktteilnehmer in der EU relevant, die (1) gesetzlich zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes verpflichtet sind, (2) mit gesetzlich verpflichteten Marktteilnehmern zusammenarbeiten oder (3) freiwillig einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen möchten:
- Gesetzlich zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind Marktteilnehmer, sobald sie aufgrund ihrer Unternehmensgröße unter die Berichtspflicht der CSRD fallen oder Zugang zu Kapitalgebern suchen, die unter die SFDR fallen. Diese Unternehmen müssen transparent machen, welche ihrer Wirtschaftstätigkeiten und Finanzströme taxonomiefähig und taxonomiekonform sind.
- Zusätzlich umfasst die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, ESG-Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette – sowohl vor - als auch nachgelagert – zu erheben und offenzulegen.
- Dadurch müssen indirekt auch kleinere Unternehmen Auskunft über ESG-Daten, beispielsweise den Anteil ihrer taxonomiefähigen und taxonomiekonformen Wirtschaftstätigkeiten, bereitstellen.
- Die Erstellung eines freiwilligen Nachhaltigkeitsberichtes steht grundsätzlich jedem Marktteilnehmer offen.[2] Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bietet sich hierfür der Voluntary Sustainability Reporting Standard for non-listed Micro, Small and Medium-Sized Enterprises (VSME) an. Dieser Standard ermöglicht nicht CSRD-pflichtigen Unternehmen, ein vereinfachtes und einheitliches Nachhaltigkeitsberichtsformat zu nutzen. Im Kontext der ESG-Regulatorik fungiert der VSME-Standard als praktische Brücke zwischen den umfangreichen CSRD-Anforderungen großer Unternehmen und den entsprechenden Nachhaltigkeitsanforderungen, die diese an KMU innerhalb der Bau- und Immobilienwertschöpfungskette stellen.
Welche Verbindung besteht nun zwischen CSRD, VSME und der EU-Taxonomie? Die EU-Taxonomie dient als gemeinsames Bezugssystem für beide Berichtsformate. Unternehmen, die der CSRD-Pflicht unterliegen, müssen offenlegen, in welchem Umfang ihre Wirtschaftstätigkeiten taxonomiefähig und taxonomiekonform sind. Der freiwillige VSME-Standard übernimmt diese Logik in vereinfachter Form: KMU sollen zumindest angeben, ob und welche ihrer Wirtschaftstätigkeiten taxonomiefähig und taxonomiekonform sind. Somit bildet die Taxonomie eine verbindende Klammer zwischen unterschiedlichen Berichtspflichten, schafft Vergleichbarkeit über Unternehmensgrößen hinweg und ermöglicht eine bessere Nachvollziehbarkeit nachhaltiger Aktivitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Wie ist die EU-Taxonomie aufgebaut?
Die EU-Taxonomie gilt als wesentlicher Hebel zur Erreichung der Umwelt- und Klimaschutzziele des European Green Deal.[3] Wie bereits erwähnt, stellt sie ein einheitliches Klassifikationssystem bereit, mit dem der ökologische Nachhaltigkeitsgrad wirtschaftlicher Tätigkeiten bewertet und transparent gemacht wird. Zunächst wird geprüft, ob eine Tätigkeit überhaupt „taxonomiefähig“ ist. Anschließend wird anhand von vier Kriterien ermittelt, ob eine taxonomiefähige Tätigkeit auch „taxonomiekonform“ ist. Eine Tätigkeit ist taxonomiekonform, wenn sie:
- wesentlich zu mindestens einem der sechs definierten Umweltziele beiträgt,
- keines der übrigen Umweltziele erheblich beeinträchtigt,
- soziale Mindeststandards („Minimum Safeguards“) einhält, und
- technisch definierte Schwellenwerte erfüllt.
Die angesprochenen sechs Umweltziele (UZ) sind:[4]
- UZ 1 Klimaschutz
- UZ 2 Anpassung an den Klimawandel
- UZ 3 nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
- UZ 4 Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- UZ 5 Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
- UZ 6 Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosystem
Welche Tätigkeiten im Wohnbau sind taxonomiefähig?[5]
Im ersten Schritt der Taxonomieprüfung wird festgestellt, ob eine Tätigkeit grundsätzlich taxonomiefähig ist. Die Liste der taxonomiefähigen Tätigkeiten ist abschließend definiert. Daher gibt es aktuell typische Projektentwickler-Tätigkeiten, wie etwa Beratungs- und Planungsleistungen oder Grundstückshandel, die (noch) nicht taxonomiefähig sind und somit weder als „grün“ noch als „braun“ eingestuft werden können.
Aktuell gelten folgende Tätigkeiten im Wohnbau als taxonomiefähig:[6]
- Neubau von Gebäuden
- Renovierung bestehender Gebäude
- Einzelmaßnahmen im Bereich Energieeffizienz/Erneuerbare Energien (z. B. Installation von Wärmepumpen oder Photovoltaik-Anlagen)
- Erwerb von und Eigentum an Gebäuden
Zudem arbeitet die EU-Kommission derzeit an einer Erweiterung der Taxonomie, welche für das Jahr 2026 vorgesehen ist.[7] Im aktuellen Entwurf (Stand Mai 2025) sind zusätzlich zu den bisherigen vier Tätigkeiten folgende angeführt:
- Erhaltung, Umnutzung und Erweiterung von Gebäuden
- Rückbau und sortenreine Trennung von Baustoffen
- Anpassung von Gebäuden an den Klimawandel
Wann sind taxonomiefähige Tätigkeiten auch taxonomiekonform ("grün”)?
Das grundlegende Prüfschema zur Feststellung der Taxonomiekonformität von taxonomiefähigen Wirtschaftstätigkeiten folgt 4 Kriterien, wie in der folgenden Grafik dargestellt.
Kriterium 1 Wesentlicher Beitrag zu mindestens einem Umweltziel
Kriterium 2 Keine erhebliche Beeinträchtigung der anderen Umweltziele („DNSH“)
Kriterium 3 Erfüllung sozialer Mindeststandards („Minimum Safeguard“)
Kriterium 4 Erfüllung der technischen Bewertungskriterien
Um zu veranschaulichen, wie dieses grundlegende Prüfschema konkret anzuwenden ist, werden die 4 Kriterien im Folgenden beispielhaft für die Wirtschaftstätigkeit „Neubau von Gebäuden” erläutert.
Kriterium 1: Wesentlicher Beitrag zu mindestens einem Umweltziel
Um das erste Kriterium zu erfüllen, muss ein Neubauprojekt einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele (UZ) leisten, wobei für den Wohnbau nur drei UZ zulässig sind. Hierbei legen die technischen Bewertungskriterien (Kriterium 4) fest, wie der wesentliche Beitrag nachzuweisen ist. Ein wesentlicher Beitrag muss nur für ein UZ erbracht werden. In den technischen Bewertungskriterien ist für jedes UZ eine abschließende Liste an Bedingungen definiert, die alle erfüllt sein müssen, damit ein wesentlicher Beitrag für ein spezifisches UZ nachgewiesen werden kann. Nachfolgend haben wir beispielhaft einige der zu erfüllenden Bedingungen je UZ aufgelistet:
- Klimaschutz (UZ 1): Der „Primärenergiebedarf aus nicht erneuerbaren Quellen“ (PEBern.)[8] muss mindestens 10 % unter den nationalen Anforderungen eines Niedrigstenergiegebäudes (NEB) liegen.[9]
- Anpassung an den Klimawandel (UZ 2): Durchführung einer Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalyse (KRA), um bestehende Risiken zu identifizieren und die Umsetzung konkreter Anpassungsmaßnahmen nachzuweisen.
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft (UZ 4): Mindestens 90 % der nicht gefährlichen Abfälle während der Errichtung müssen für Re-use oder Recycling vorbereitet sein; Ermittlung und Offenlegung des Global Warming Potentials (GWP)[10] über den gesamten Gebäudelebenszyklus.
Kriterium 2: keine Beeinträchtigung der anderen Umweltziele
Zusätzlich zum wesentlichen Beitrag (Kriterium 1) muss nachgewiesen werden, dass das Neubauprojekt keine erheblichen negativen Auswirkungen („Do No Significant Harm - DNSH“) auf die verbleibenden 5 Umweltziele hat. Wiederum kommen hier technische Bewertungskriterien (Kriterium 4) zur Nachweiserbringung ins Spiel. Für jedes UZ ist wiederum eine abschließende Liste an DNSH-Bewertungskriterien definiert, welche alle erfüllt sein müssen um die Anforderung des Kriterium 2 zu erfüllen.[11] Die DNSH-Bewertungskriterien sind dabei weniger stringent als die technischen Bewertungskriterien zum Nachweis eines wesentlichen Beitrags (Kriterium 1). Beispiele hierfür sind:
- Klimaschutz (UZ 1): Im Gebäude findet keine Gewinnung, Lagerung, Beförderung oder Herstellung fossiler Brennstoffe statt.
- Anpassung an den Klimawandel (UZ 2): Nachweis eines Screenings auf physische Klimagefahren.[12]
- Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen (UZ 3): Reduzierung der Wasserdurchlaufmengen durch den Einbau wassersparender Armaturen.
- Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft (UZ 4): Mindestens 70 % der nicht gefährlichen Abfälle während der Errichtung müssen für Re-use oder Recycling vorbereitet sein
- Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (UZ 5): Falls sich das Gebäude auf einem potenziell schadstoffbelasteten Grundstück befindet, ist eine Untersuchung auf potenzielle Schadstoffe vorzulegen, beispielsweise durch ein Bodengutachten.
- Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystem (UZ 6): Das Gebäude darf nicht auf Acker-und Kulturflächen mit mittlerer bis hoher Bodenfruchtbarkeit lt. EU LUCAS-Erhebung[13] errichtet werden.
Kriterium 3: Einhaltung sozialer Mindestschutzstandards
Neben ökologischen Kriterien verlangt die Taxonomie die Einhaltung sozialer Mindeststandards. Konkret stellt das Kriterium auf die Erfüllung der definierten Mindestbedingungen ab. Das bedeutet, die Wirtschaftstätigkeit muss den
- OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen[14]
- UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte[15]
- IAO-Leitprinzipien für grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit[16]
- Internationale Charta der Menschenrechte[17]
entsprechen und deren Erfüllung entsprechend belegen, beispielsweise durch den Nachweis der Veröffentlichung und Einhaltung eines Code-of-Conduct innerhalb des eigenen Unternehmens.
Fazit: Die EU-Taxonomie als Steuerungsinstrument für nachhaltige Immobilienwirtschaft
Für die Bau- und Immobilienwirtschaft entwickelt sich die EU-Taxonomie von einem abstrakten Klassifikationssystem zu einem konkreten Steuerungsinstrument. Sie verknüpft Berichtspflichten großer Unternehmen (CSRD) mit den freiwilligen, aber zunehmend nachgefragten VSME-Angaben kleinerer Akteure. Somit etabliert sie eine gemeinsame Sprache für „grün“ und „braun“ entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Die EU-Taxonomie verpflichtet zwar nicht direkt zur Umsetzung, entfaltet aber indirekte bindende Wirkung durch Berichtspflichten oder Anforderungen von Kapitalgebern. Sie bietet Immobilienunternehmen zudem einen Referenzrahmen, um Nachhaltigkeitsleistungen transparent und strukturiert darzustellen. Durch frühzeitige Anpassung an die Taxonomie-Standards sichern Immobilienunternehmen langfristig ihre Marktposition und profitieren von einer nachhaltigen, zukunftsorientierten Geschäftspraxis.[18]